Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung - Institut der Leibniz-Gemeinschaft
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Politische Mythen als Sinngeneratoren heben im kollektiven Gedächtnis das hervor, was die jeweilige Gesellschaft für existenziell notwendig hält, und konservieren dies, so dass sie gerade während Krisenzeiten und Umbruchsphasen sowie bei Identitäts- und Legitimationsdefiziten immer wieder eine Renaissance erleben. Der Band umfasst insgesamt 25 Beiträge, die während der gleichnamigen Sommerakademie des Herder-Instituts und der Sektion „Mythos und Raum“ auf dem Kieler Historikertag 2004 diskutiert wurden.
In den rund 123 Jahren Teilungszeit im „langen 19. Jahrhundert“ hatten sich die unter dem Russländischen Reich, Preußen und der Habsburgermonarchie aufgeteilten Gebiete der ehemaligen polnisch-litauischen Adelsrepublik (Rzeczpospolita szlachecka) auf Grund der durchaus sehr unterschiedlich verlaufenden Inkorporation und politischen, sozio-ökonomischen und kulturellen Integration in das Russländische Reich, in das Deutsche Kaiserreich und die Habsburgermonarchie sehr unterschiedlich entwickelt. Im Ersten Weltkrieg verstärkten sich die polnischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Jedoch erst durch den Zusammenbruch der drei Imperien in der Endphase des Ersten Weltkriegs entstand in Ostmitteleuropa ein Machtvakuum. Daraus ergab sich – nicht nur für Polen, sondern auch etwa auch für Tschechen, Slowaken, Litauer, Letten und Esten – die Möglichkeit, die Bestrebungen zur Nationalstaatsgründung und das von Woodrow Wilson postulierte Selbstbestimmungsrecht der Völker zu verwirklichen. So entstanden im Oktober und Anfang November 1918 in Krakau, Lemberg, Posen und Lublin unter Führung profilierter polnischer Politiker wie dem Bauernparteiler Ignacy Daszyński verschiedene polnische Machtzentren, die sich den Zusammenbruch der militärischen Macht zu Nutze gemacht hatten und in Konkurrenz zum Warschauer Regentschaftsrat dessen Legitimität in Frage stellten und untergruben