Studien zur Ostmitteleuropaforschung
Herausgegeben vom Verlag Herder-Institut, Marburg
Die Reihe umfasst überwiegend akademische Qualifikationsschriften und andere Monografien zur historisch-kulturwissenschaftlichen Ostmitteleuropaforschung. Alle Bände unterliegen einem double-blind-peer-review-Verfahren. Zwei Jahre nach Erscheinen der Printfassung werden sie im Open Access zugänglich gemacht.
Eine Übersicht aller bisher verfügbaren Ausgaben des Verlages finden Sie hier.
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36
Die Studie betrifft die Analyse der Erinnerungskulturen in den zwei polnischen, jedoch über unterschiedliche Traditionen verfügenden Kleinstädten Labes und Flatow nach 1945. Methodisch knüpft die Autorin an das Konzept des kollektiven Gedächtnisses an und überträgt dieses auf kleine Untersuchungsräume, um auf die räumliche Differenzierung der lokalen Erinnerungslandschaften hinzuweisen. Aufgrund der spezifischen Vergangenheit dieser Städte geht es überwiegend um die Erinnerung an ihre deutsche und jüdische Kulturlandschaft. Haben Labes und Flatow in den Jahren 1945-1989 die nichtpolnischen Spuren ihrer Vergangenheit verdrängt, umgedeutet oder vergessen, so wurden diese nach dem Umbruch 1989/1990 – und zum Teil sogar schon früher – gesucht, entdeckt und ins kollektive Gedächtnis adaptiert. Die Hauptfragen lauteten: Wie, wann und warum hat man die fremde Kulturlandschaft verdrängt und ab wann sowie warum hat man die ungewollten Elemente gesucht und sucht sie noch bis heute? Es geht also um die Erforschung der Wendepunkte in den lokalen Debatten, vorwiegend in Bezug auf die deutsche, jüdische und polnische Vergangenheit der Kleinstädte. Die Studie zeigt, dass die lokalen Erinnerungskulturen nur scheinbar homogen sind und die Geschichtsdiskurse großenteils von den Traditionen innerhalb der jeweiligen Bevölkerung abhängen.
23
Über die Erinnerung an die Zwangsmigration der Deutschen ist es in Deutschland und Polen nach den politischen Umbrüchen von 1989/1990 immer wieder zu innergesellschaftlichen Kontroversen gekommen, die sich oftmals zu massiven Unstimmigkeiten im Verhältnis der Nachbarn ausweiteten. Die Massenmedien haben in der Erinnerung an und in den erinnerungspolitischen Kontroversen um die Vertreibung der Deutschen eine zentrale Rolle gespielt, die bislang nur wenig wissenschaftliche Beachtung fand. Maren Röger untersucht anhand von deutschen und polnischen TV-Dokumentationen, Spielfilmen und Presseerzeugnissen unterschiedlicher Genres, welche Massenmedien auf welche Art und Weise die nationalen Erinnerungskulturen prägten und in welcher Form sie zu den deutsch-polnischen Kontroversen über Flucht und Vertreibung beitrugen. Während die in der Volksrepublik Polen vor 1989 verordneten Erzählmuster über die Zwangsmigration eine deutliche Wandlung in den 1990er Jahren erfuhren, lässt sich für zahlreiche deutsche Medien ein relativ unkritischer Umgang mit kolportierten Opferzahlen und denjenigen Bildererzählungen der Vertreibung zeigen, die ihren Entstehungskontext in den Durchhalteparolen der NS-Propaganda haben.