Studien zur Ostmitteleuropaforschung
Herausgegeben vom Verlag Herder-Institut, Marburg
Die Reihe umfasst überwiegend akademische Qualifikationsschriften und andere Monografien zur historisch-kulturwissenschaftlichen Ostmitteleuropaforschung. Alle Bände unterliegen einem double-blind-peer-review-Verfahren. Zwei Jahre nach Erscheinen der Printfassung werden sie im Open Access zugänglich gemacht.
Eine Übersicht aller bisher verfügbaren Ausgaben des Verlages finden Sie hier.
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30
Riga at War 1914-1919
(2014)
Hundert Jahre nach der Katastrophe von 1914 zeichnet Mark Hatlie in Riga at War: 1914-1919. War and Wartime Experience in a Multiethnic Metropolis die Geschichte Rigas während der Jahre des Ersten Weltkriegs und der darauffolgenden Kämpfe und Bürgerkriege nach. Das Buch nimmt die Stadt und ihre Bevölkerungsgruppen unter die Lupe. Die großen Etappen des Krieges in der Stadt werden behandelt, von der Mobilisierung, der Massenevakuierung, der Revolution und der deutschen Besatzung bis zur raschen Abfolge politischer und militärischer Ereignisse 1919. Gegenstand sind auch die demographischen Folgen, bei denen Riga zeitweise etwa die Hälfte seiner Bevölkerung verlor. Im zweiten Teil des Buches behandelt Riga at War die subjektive Kriegserfahrung der Deutschen, der Letten und der Russen, die in Riga lebten. Die unterschiedlichen Nationalitäten sahen den Krieg aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Ihre unterschiedliche Wahrnehmung der Ereignisse und ihre unterschiedlichen Handlungsmuster in Politik, Gesellschaft und Religion werden anhand zeitgenössischen Zeitungen, Archivalien und Memoiren beschrieben und analysiert.
29
Die „polnische Frage“ war ein aufsehenerregendes und vieldiskutiertes Medienthema im Deutschen Kaiserreich. Deutsche und polnische Journalisten, Publizisten, Politiker und Intellektuelle diskutierten in zahlreichen Presseartikeln, Broschüren und Monografien sowie parlamentarischen und öffentlichen Reden über das deutsch-polnische Verhältnis. In der medienhistorischen Studie wird die in der deutschen Öffentlichkeit geführte Debatte über die repressive preußische Polenpolitik und die Abwehrreaktionen der polnischen Bevölkerung analysiert. Der Fokus liegt auf den Akteuren und Medien, die die antipolnische Politik kritisierten und für ein konfliktfreies Zusammenleben zwischen Deutschen und Polen eintraten. Besonders im Ersten Weltkrieg diskutierten sie ausführlich über die Möglichkeit einer deutsch-polnischen Verständigung, warfen die Frage der polnischen Staatlichkeit auf und suchten tradierte antipolnische Vorurteile und Geschichtsbilder zu revidieren. In Deutschland wurde nun intensiver und vielfältiger über den potenziellen Verbündeten Polen berichtet. Das wachsende Interesse für Polen und die öffentliche Erörterung einer Verständigungspolitik zeigen, dass die Normalisierung des deutsch-polnischen Verhältnisses in der öffentlichen Diskussion im Deutschen Kaiserreich zumindest zeitweise, wenn auch nicht nachhaltig, zu einem politisch und gesellschaftlich relevanten Thema geworden war.
28
Die ehemaligen Ostgebiete Polens spielen noch heute eine prominente Rolle in polnischen Diskussionen. Dabei wirken Bilder und Semantiken fort, die nicht nur seit der Romantik in der schönen Literatur, sondern seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auch in politischen Diskussionen entstanden. In den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg wurden militärstrategische und geopolitische Überlegungen in Bezug auf die Ostgebiete entwickelt, die von der Belletristik verbreitete Bilder nutzten, um politische Ziele in den Diskussionen um Grenzen und Territorium des künftigen polnischen Staates zu verfolgen. Einige dieser Raumbilder erreichten die Qualität regelrechter „Ostkonzepte“, umfassender Vorstellungen von den Ostgebieten als essenziellem Bestandteil des polnischen nationalen Territoriums, die dadurch gekennzeichnet waren, den Ostgebieten einen für ganz Polen existenziellen Stellenwert beizumessen. So sind die Ostkonzepte eindrückliche Beispiele für die Konstruktion von Räumen durch politisch-publizistisch-wissenschaftliche Kommunikation. Mit Hilfe einer systematischen Analyse der Motive, Deutungskategorien und Berufungsinstanzen, auf die sich die Konzepte bezogen, zeigt die Arbeit die politische Semantik der Ostkonzepte und ihre politischen und kulturellen Zuschreibungen in Bezug auf den Osten. Im Ergebnis lassen sich daran wesentliche Elemente polnischer Wir-Diskurse über Nation, Europäizität und Zivilisation ablesen. Zum Abschluss stellt die Arbeit kursorische Vergleiche mit deutschen Ostraumbildern an.
27
Der Aufstieg der Sudetendeutschen Heimatfront (SHF), später Sudetendeutschen Partei (SdP), zur bedeutendsten Partei der deutschen Minderheit in der Tschechoslowakei wurde in der historischen Forschung bislang nicht näher untersucht. Man verwies lediglich auf einige Faktoren, wie beispielsweise die Attraktivität der nationalsozialistischen Bewegung in Deutschland, die von den Deutschen empfundene Diskriminierung durch den tschechoslowakischen Staat oder die ablehnende Haltung gegenüber dem parlamentarischen System. Allerdings wurde dabei die Rolle der Partei als eigenständige politische Akteurin weitgehend ausgeblendet. Der Fokus dieser Publikation richtet sich auf die politische Kommunikation der sog. Henlein-Partei. Es wird untersucht, warum und mit welchen Mitteln der SdP nicht nur eine kurzfristige Mobilisierung der deutschsprachigen Bevölkerung, sondern eine längerfristige Wählerbindung gelang. Neben der Beleuchtung der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Situation der Deutschen in der Tschechoslowakei sowie der Entwicklung und Struktur der Partei, erfolgt eine ausführliche Analyse des Kommunikationssystems, des Wahlkampfmanagements sowie der diskursiven Praktiken der selbsternannten politischen Interessensvertretung aller Sudetendeutschen.